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Deutscher Privatinsolvenztag 2013

"Praxislösungen für das neue Entschuldungsverfahren"

Der Deutsche Privatinsolvenztag 2013 fand am 25. Oktober 2013 in München unter Beteiligung von 180 Praktikern aus allen Bereichen der Insolvenzpraxis und der Wissenschaft statt.

Der Deutsche Privatinsolvenztag 2013 traf nach umfangreicher Erörterung und Abstimmung mit allen Teilnehmern der Tagung folgende einstimmige Entschließung:

Die Erweiterung des § 302 InsO ist in Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger
sowohl aus Gläubiger- als auch aus Schuldnersicht bedenklich.

 
Tagungsbericht zum 4. Deutschen Privatinsolvenztag am 25.10.2013 in München
von Rechtsanwältin/Fachanwältin für Insolvenzrecht Nina Tschirpke, Berlin

Am 25.10.2013 fand zum vierten Mal der Deutsche Privatinsolvenztag statt. Es waren Vertreter aus dem Kreis der Gläubiger bzw. der Gläubigervertreter, der Schuldnerberater, der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder sowie Vertreter aus den Reihen der Gerichte unter den Teilnehmern. Die Veranstaltung fand in den Räumen des alten Rathauses in München statt. Thema der diesjährigen Veranstaltung war das am 18.7.2013 verkündete Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte. Erste Teile des Gesetzes sind am 19.7.2013 in Kraft getreten. Im Wesentlichen wird das Gesetz jedoch erst am 1.7.2014 in Kraft treten.


Die Veranstaltung begann mit der Begrüßung der Teilnehmer durch Herrn Klaus Hofmeister vom Sozialreferat der Landeshauptstadt München. Danach richtete der Münchener Stadtrat Barbor ein Grußwort in Vertretung des Oberbürgermeisters Ude an die Teilnehmer. Er ging darauf ein, dass im Bundesdurchschnitt 9,5 % der Volljährigen überschuldet sind. In Bayern läge die Quote bei 7 %. Für München benannte er eine Quote von 8 % der Volljährigen. Hauptauslöser der Überschuldung seien Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne, Scheidungen und gescheiterte Selbstständigkeiten. Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Privatinsolvenztag e.V. Dr. Thorsten Graeber ergriff im Anschluss das Wort und dankte den Mitarbeitern des Sozialreferats für ihr Engagement bei der Vorbereitung bzw. Organisation der Veranstaltung. Er verkündete, dass mit 180 Teilnehmern in diesem Jahr ein neuer Rekord für diese Veranstaltung verzeichnet werden konnte.

Prof. Dr. Martin Ahrens leitete den fachlichen Teil der Veranstaltung ein. Er moderierte die ersten beiden Themenblöcke.

Das Podium war zu den ersten beiden Themenblöcken neben Prof. Dr. Martin Ahrens mit Ulrich Jäger als Vertreter der Gläubigerseite, Dipl.-Rechtspflegerin Susanne Brenner als Vertreterin der Treuhänderschaft, Richter am AG Ulrich Schmerbach und Richterin am BGH Praxedis Möhring, jeweils als Vertreter der Gerichte, sowie Réka Lödi als Vertreterin der Schuldnerberater besetzt.

Zunächst wurde das Thema „Höhere Hürden vor der Restschuldbefreiung – Neue Versagungsregeln und Ausnahmen von der Restschuldbefreiung“ diskutiert. Der Insolvenzrichter Ulrich Schmerbach vom AG Göttingen ging zunächst auf die neu eingeführte Eingangsentscheidung nach § 287a InsO ein. Danach sind in Zukunft die Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Antrag auf Restschuldbefreiung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu prüfen, wenn ein entsprechender Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt wurde. Herr Schmerbach hob hervor, dass heute bereits im Falle eines Stundungsantrages und bei Fehlen einer verfahrenskostendeckenden Masse im Rahmen der Frage, ob Stundung gewährt werden kann, über den § 4a InsO die Prüfung erfolgt, ob bestimmte Versagungsgründe vorliegen. Ferner wies Herr Schmerbach darauf hin, dass es ungeklärt ist, ob die Sperrfristenrechtsprechung des BGH nach der Gesetzesänderung weiter anzuwenden ist bzw. weiter ausgebaut wird. Zunächst lag die Annahme nahe, dass die Sperrfristenrechtsprechung keine Gültigkeit mehr haben wird, wenn der Gesetzgeber eine Neuregelung schafft. Fraglich ist insbesondere, ob nach einer entsprechenden Neuregelung noch eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Herr Richter Schmerbach verwies in diesem Zusammenhang jedoch auf eine Entscheidung des IX. Senats des BGH zum Aktenzeichen IX ZB 51/12 v. 7.5.2013.1 Der IX. Senat hat hier entschieden, dass der Antrag eines Schuldners auf Restschuldbefreiung unzulässig ist, wenn er innerhalb von 3 Jahren nach rechtskräftiger Versagung der Restschuldbefreiung in einem früheren Verfahren wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders gestellt worden ist. Die Versagung wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung des Treuhänders ist im § 298 InsO geregelt. Die Versagung nach § 298 InsO ist jedoch in den Gründen für die Unzulässigkeit des Antrages auf Restschuldbefreiung in dem neu geregelten § 287a InsO nicht aufgeführt.

Im Anschluss an diesen Beitrag trug Frau Réka Lödi von der Diakonie Schleswig-Holstein zu der Erwerbsobliegenheit des Schuldners vor. Das Gesetz sieht zukünftig in § 287b InsO vor, dass den Schuldner bereits im Insolvenzverfahren eine Erwerbsobliegenheit trifft. Korrespondierend hierzu sieht der neue § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO vor, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung auf Antrag versagt werden kann, wenn er die Erwerbsobliegenheit nach § 287b InsO verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Die Verletzung muss schuldhaft erfolgen. Frau Lödi wies – wie zuvor auch schon Herr Schmerbach – darauf hin, dass die Erwerbsobliegenheit des Schuldners im Stundungsverfahren bereits im Rahmen des § 4c Nr. 4 InsO bekannt ist. Nach der aktuellen Rechtslage kann nach § 4c Nr. 4 InsO die Stundung aufgehoben werden, wenn der Schuldner keiner angemessenen Erwerbstätigkeit nachgeht und sich auch nicht um eine solche bemüht bzw. eine zumutbare Tätigkeit ablehnt. Frau Lödi nannte im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit eine Entscheidung des IX. Senats des BGH v. 19.5.2011 zum Az. IX ZB 224/09.2 Der IX. Senat hat hier ausgeführt, dass als Richtgröße herangezogen werden kann, dass zwei bis drei Bewerbungen in der Woche ausreichen.


Ferner problematisierte Frau Lödi die Stellung des selbstständigen Schuldners. Mit Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/103 hat der IX. Senats des BGH entschieden, dass der Schuldner bei mangelndem wirtschaftlichen Erfolg seiner freigegebenen selbstständigen Tätigkeit vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht verpflichtet ist, ein abhängiges Dienstverhältnis einzugehen. Frau Lödi warf die Frage auf, inwieweit dieser Grundsatz noch gelten kann, wenn den Schuldner im eröffneten Insolvenzverfahren eine Erwerbsobliegenheit trifft und ob der Schuldner zukünftig im Hinblick auf die Erwerbsobliegenheit nach § 287b InsO im eröffneten Insolvenzverfahren eine unrentable selbstständige Tätigkeit aufgeben muss, um eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen.

Susanne Brenner sieht durch die zukünftige Erwerbsobliegenheit im Insolvenzverfahren eine erhebliche Mehrarbeit auf die Insolvenzverwalter zukommen, da sie evtl. zu überwachen haben, ob die Obliegenheiten erfüllt werden. Eine entsprechende Vergütung für eine solche Überwachung sei jedoch bislang nicht vorgesehen.

Ulrich Jäger trug zu der Neuregelung des § 302 InsO vor. Der neue § 302 InsO erweitert den Kreis der von der Restschuldbefreiung ausgenommen Forderungen um Verbindlichkeiten des Schuldners aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, und um Verbindlichkeiten aus Steuerschuldverhältnissen, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Straftat nach den §§ 370, 373 oder 374 AO rechtskräftigt verurteilt worden ist. Herr Jäger spricht sich deutlich gegen diese Neuregelung aus. Er betont, dass man froh war, dass das Fiskusprivileg mit der Einführung der InsO abgeschafft wurde. Die Neuregelung des § 302 InsO würde nunmehr neue Privilegierungen für den Fiskus einführen, da die Familienkasse regelmäßig Unterhaltvorschüsse leistet, wenn ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Die Forderungen gehen durch die Leistung der Familienkasse gesetzlich über. Durch die Neuregelung werde daher regelmäßig nicht der Unterhaltsberechtigte besser gestellt. Die Ausnahme dieser Forderung von der Restschuldbefreiung benachteilige die sonstigen Gläubiger. Entsprechendes gelte für die Forderungen des Finanzamtes, die zukünftig von der Restschuldbefreiung ausgenommen werden sollen. Dadurch, dass die Steuerforderungen und die Unterhaltsforderungen ausgenommen werden, mindere sich auch die Motivation des Schuldners, ein Insolvenzverfahren anzustrengen. Die Ausnahme der Forderungen von der Restschuldbefreiung würde ferner zu einem Drehtüreffekt führen. Nach Erteilung der Restschuldbefreiung würde der Schuldner die von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderung bedienen und seine

laufenden Verbindlichkeiten erneut nicht vertragsmäßig erfüllen können. Herr Jäger hält die Erweiterung des § 302 InsO für einen schwerwiegenden Fehler, den die Schuldner und die sonstigen Gläubiger zu bezahlen haben werden.

Ebenfalls zum § 302 InsO nahm die Richterin am BGH Praxedis Möhring Stellung. Sie weist darauf hin, dass sie bereits Schwierigkeiten mit der Formulierung des § 302 InsO im Hinblick auf die ausgenommenen Unterhaltsforderungen hat. Die Unterhaltspflicht setzt voraus, dass der Unterhaltsberechtigte bedürftig und der Schuldner leistungsfähig ist. Sie stellt sich daher die Frage, was das Wort „pflichtwidrig“ im Gesetzestext zum Ausdruck bringen will. Sie stellt darauf ab, dass über § 170 StGB Unterhaltspflichtverletzungen, die die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, bereits jetzt von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind.

Im Anschluss an eine lebhaft geführte Diskussion wurde folgende These von Herrn Ulrich Jäger von allen Teilnehmern der Veranstaltung einstimmig angenommen:
Die Erweiterung des § 302 InsO ist im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger sowohl aus Gläubiger- als auch aus Schuldnersicht bedenklich.

Herr Prof. Dr. Ahrens lenkte nach der Abstimmung über die vorgenannte These das Augenmerk auf den neuen § 297a InsO. Danach kann eine Versagung der Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers auch dann erfolgen, wenn sich ein Versagungsgrund nach dem Schlusstermin bzw. nach der Einstellung des Verfahrens herausstellt. Der Antrag ist innerhalb von 6 Monaten nach Bekanntwerden des Versagungsgrundes zu stellen.

Von der Schuldnervertreterseite wurden Bedenken dahin gehend geäußert, dass die Struktur des Verfahrens verwässert wird. Bisher könne man dem Schuldner nach Erlass des Ankündigungsbeschluss mitteilen, dass er nun ein Zwischenziel erreicht habe. Dies werde in Zukunft entfallen. Herr Ulrich Jäger trat dem entgegen. Er erklärte, dass der neue § 297a InsO ein Ausdruck der materiellen Gerechtigkeit ist. Dass in Zukunft ein auch später bekannt werdender Versagungsgrund noch zur Versagung der Restschuldbefreiung führen könne, beinhalte die Botschaft: „Es ist Schluss mit Schummeleien.“

Auch Herr Prof. Dr. Heyer verteidigt die Neuregelung des § 297a InsO. Er nimmt Bezug auf den bekannten Oldenburger Goldmünzenfall. Hier hatte sich im Restschuldbefreiungsverfahren herausgestellt, dass die Schuldnerin Goldmünzen im Insolvenzverfahren nicht angegeben hatte. Eine Versagung der Restschuldbefreiung kam nach dem derzeit geltenden Recht nicht mehr in Frage.

Die zweite Diskussionsrunde stand unter der Überschrift „Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens – Voraussetzungen, Chancen, Probleme“. Die Verkürzung des Verfahrens ist in dem neuen § 300 InsO geregelt. § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO sieht in der neuen Form vor, dass die Restschuldbefreiung auf Antrag erteilt werden kann, wenn 3 Jahre der Abtretungsfrist verstrichen sind und dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder innerhalb dieses Zeitraums ein Betrag zugeflossen ist, der eine Befriedigung der Forderung der Insolvenzgläubiger in Höhe

von mindestens 35 % ermöglicht. Voraussetzung ist zudem, dass die Verfahrenskosten gedeckt sind. Herr Schmerbach wirft die Frage auf, an wen sich der Schuldner wenden kann, wenn er Informationen dazu erlangen möchte, welcher Betrag konkret benötigt wird, damit er die Restschuldbefreiung nach 3 Jahren erlangen kann. Er geht davon aus, dass Ansprechpartner für den Schuldner zunächst der Insolvenzverwalter und im Zweifel auch das Gericht ist. Herr Schmerbach betont, dass der Einzahlungsbetrag zur Deckung der Massekosten sowie der 35 % der Gläubigerforderungen Massebestandteil wird. Wenn der Schuldner mehr einzahlt, als zur Begleichung der Massekosten und zur Auskehrung einer Quote in Höhe von 35 % an die Insolvenzgläubiger nötig ist, erhält der Schuldner den Mehrbetrag nicht zurück.

Frau Susanne Brenner stellte die Auskunftspflicht des Treuhänders zw. Insolvenzverwalters hinsichtlich der Höhe des aufzubringenden Betrages zur Erlangung der vorzeitigen Restschuldbefreiung in Frage. Insbesondere problematisierte sie hier das Haftungsrisiko des Treuhänders bzw. Insolvenzverwalters für fehlerhafte Auskünfte. Die Erteilung entsprechender Auskünfte im Restschuldbefreiungsverfahren dürfte relativ unproblematisch sein. Problematisch ist jedoch die Auskunftserteilung, wenn das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist und noch kein Schlusstermin stattgefunden hat, insbesondere wenn noch kein endgültiges Schlussverzeichnis vorliegt. Bevor das Schlussverzeichnis nicht vorliegt, ist auch nicht geklärt, in welcher Höhe Insolvenzforderungen im Rahmen der Schlussverteilung zu berücksichtigen sind. Zudem beeinflusst eine Zahlung zur Deckung der Verfahrenskosten und zum Erreichen einer Quote von 35 % für die Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO im laufenden Insolvenzverfahren die maßgebliche Masse, auf deren Grundlage die Vergütung des Insolvenzverwalters berechnet wird. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die entsprechenden Zahlungen Insolvenzmasse sind. Mit den Zahlungen erhöht sich damit in der Regel auch die Insolvenzverwaltervergütung. Eine Berechnung des zu zahlenden Betrages im laufenden Insolvenzverfahren, d.h. vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens, ist daher schwierig.

Frau Lödi prognostizierte der Restschuldbefreiung gem. § 300 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach 5 Jahren nach Begleichung der Verfahrenskosten eine größere Bedeutung in der Praxis als der Restschuldbefreiung nach 3 Jahren gem. § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Sie sieht die Möglichkeit, dass in Zukunft außergerichtliche Schuldenbereinigungspläne auf eine Laufzeit von 5 Jahren ausgerichtet sein werden.

Herr Jäger führte aus, dass die Gläubiger nach der Gesetzesänderung schlechter stehen als vorher. Der Gläubiger hat ein Interesse daran, dass er eine möglichst hohe Quote im Insolvenzverfahren erhält und dass der Schuldner eine vollständige und nicht nur eine teilweise Restschuldbefreiung erlangt. Beide Ziele werden durch die neue Gesetzesänderung nach Ansicht des Herrn Jäger nicht erreicht. Auch bei der Restschuldbefreiung nach 5 Jahren sieht Herr Jäger einen Fiskusvorrang. Denn die Restschuldbefreiung nach 5 Jahren erreicht nur der Schuldner, bei dem die Verfahrenskosten vollständig gedeckt sind.

Frau Richterin Möhring sieht bessere Alternativen für eine frühzeitige Restschuldbefreiung bzw. Schuldenbereinigung als die Restschuldbefreiung nach 3 Jahren nach dem neuen § 300 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Sie hält hier einen Vergleich mit den Gläubigern vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sinnvoller. Wenn Gläubiger nicht zur Zustimmung bereit sind, obwohl ihnen hierdurch keine Nachteile entstehen, bestehe die Möglichkeit des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens und des Insolvenzplanverfahrens, zukünftig sowohl im Verbraucher- als auch im Regelinsolvenzverfahren.

Durch den dritten Themenkomplex des Tages „Die neue Rolle des Insolvenzverwalters im Entschuldungsverfahren“ führte Prof. Dr. Hugo Grote, Prof. an der Hochschule Koblenz, RheinAhrCampus – Remagen. Das Podium war zudem mit Frau Rechtsanwältin Dr. Susanne Berner, Insolvenzverwalterin aus Berlin, Herrn Prof. Dr. Hans-Ulrich Heyer, Insolvenzrichter am AG Oldenburg, Herrn Ulrich Jäger und Herrn Guido Stephan, Insolvenzrichter a.D. und Vorstandmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberater, besetzt.

Zunächst stellte Herr Prof. Dr. Grote fünf Thesen auf. Ab 1.7.2014 wird es die Bezeichnung Treuhänder im Insolvenzverfahren nicht mehr geben. Auch im Verbraucherinsolvenzverfahren wird der verantwortliche Vermögensverwalter dann Insolvenzverwalter heißen. Durch die Streichung der §§ 312 –314 InsO ist eine Anfechtung ab dem 1.7.2013 auch im Verbraucherinsolvenzverfahren originäre Aufgabe des Verwalters. Auch für die Verwertung der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände ist der Verwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren dann zuständig. Herr Prof. Dr. Grote stellte vor diesem Hintergrund die These auf, dass zukünftig für die Auswahl des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren und im Regelinsolvenzverfahren dieselben Kriterien gelten müssen bzw. Insolvenzverwalter im Regel- und im Verbraucherinsolvenzverfahren die gleichen Qualifikationen vorweisen müssen. Er stellt sich die Frage, ob dies das Ende für den „Nur-Treuhänders“ bedeutet. Im Hinblick auf die geänderte Vergütungsregelung im Verbraucherinsolvenzverfahren stellt Herr Prof. Dr. Grote folgende These auf: „Der Insolvenzverwalter bekommt zukünftig eine höhere Vergütung; das verbessert seine Laune und forciert Verteilungskämpfe.“ Seine dritte These lautet: „Die höhere Regelvergütung könnte einen neuen Fokus des Verwalters auf die Massemehrung im Verbraucherinsolvenzverfahren fördern.“ Eine vierte These von Herrn Prof. Dr. Grote lautet: „Der Insolvenzverwalter ist künftig anfechtungsberechtigt, er wird vor allem nach Anfechtungstatbeständen in den letzten 3 Monaten vor Eröffnung suchen.“ Zuletzt stellt Herr Prof. Dr. Grote die These auf: „Der Insolvenzverwalter kann durch Vorlage eines Insolvenzplans oder durch eine Verkürzung der Zeit bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung über Erreichen der Mindestquote eine deutliche höhere Vergütung erlangen“.

Zu diesen Thesen nahm zunächst Frau Dr. Berner Stellung. Sie fokussierte sich auf die These zur Insolvenzanfechtung. Sie sieht kein Risiko, dass es zu übermäßigen Insolvenzanfechtungen kommen wird. Sie betonte, dass grds. die Gläubigerbenachteiligung als Tatbestandsvoraussetzung für jede Insolvenzanfechtung vorliegen muss. Fraglich sei es vor diesem Hintergrund, ob eine Anfechtung bei einer Leistung aus dem Schonvermögen überhaupt möglich ist. Herr Jäger sieht hingegen eine erhöhte Gefahr, dass Anfechtungen ausgesprochen werden, ohne dass individuelle Prüfungen der Anfechtungsvoraussetzungen oder individualisiert Begründungen erfolgen. Er befürchtet eine Mehrbelastung der Gläubiger, da diese die geltend gemachten Ansprüche abwehren müssen.

Herr Guido Stephan verteidigte die ursprüngliche Regelung des § 313 InsO, nach der eine Anfechtung im Verbraucherinsolvenzverfahren nur nach entsprechendem Auftrag durch die Gläubigerversammlung durch den Treuhänder möglich war. Er glaubt nicht, dass ein originäres Anfechtungsrecht des Treuhänders bzw. des zukünftigen Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren nötig ist. Dies verkompliziere das Verfahren vielmehr. Herr Dr. Schmidt, Insolvenzrichter am AG Hamburg, vertritt die Meinung, dass es ein Fehler war, den Treuhänder nicht von Anfang an mit einem originären Anfechtungsrecht auszustatten und stattdessen einen Auftrag der Gläubigerversammlung nach § 313 InsO zu fordern. Die Anfechtung diene der Gläubigergleichbehandlung und der Erhöhung der Quote. Sie ermögliche in vielen Fällen erst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser ursprüngliche Fehler wurde durch die Abschaffung des § 313 InsO nunmehr korrigiert. Zudem nahm Herr Dr. Schmidt zu den notwendigen Qualifikationen von Treuhänder und Insolvenzverwalter dahin gehend Stellung, dass er bereits jetzt keine signifikanten Unterschiede bei den Anforderungen an Treuhänder und Insolvenzverwalter erkennen kann. Jedenfalls dürfe es jedoch ab dem 1.7.2014 keine signifikanten Unterschiede bei den Anforderungen an den Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren und im Regelinsolvenzverfahren mehr geben.

Zusammenfassend begrüßte Frau Dr. Berner die Mehrzahl der Gesetzesänderungen als positiv. Ideal hätte sie jedoch eine komplette Vereinheitlichung von Verbraucher- und Regelinsolvenzverfahren gefunden.

Am Ende der Veranstaltung wies der Vorstandsvorsitzende des Vereins, Herr Dr. Thorsten Graeber, darauf hin, dass der nächste Deutsche Privatinsolvenzrechtstag am 24.10.2014 in München stattfinden wird. Herr Prof. Dr. Ahrens bedankte sich im Namen des Vereins für das Engagement des Vorstandsvorsitzenden Dr. Thorsten Graeber.

Als Fazit bleibt zu sagen, dass die Erweiterung des § 302 InsO von sämtlichen Teilnehmern als bedenklich empfunden wurde. I.Ü. wurde deutlich, dass der Deutsche Privatinsolvenzrechtstag ein Forum für unterschiedliche Auffassung bietet und eine konstruktive Diskussion ermöglicht. Die große Resonanz und die lebhafte Beteiligung an den Diskussionen des Tages – auch aus den Reihen des Publikums – haben gezeigt, dass der Deutsche Privatinsolvenzrechtstag sein Ziel, ein Forum für Vertreter aller Beteiligten im Insolvenzverfahren zu sein, erreicht hat und sich als solches etabliert hat.