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Der Deutsche Privatinsolvenztag bietet einen institutionellen Rahmen zur gemeinsamen Diskussion und Arbeit für alle
von einer Insolvenz Betroffenen: Gläubigern, Schuldner, Beratern, Insolvenzverwalter und Treuhänder, der Justiz und der Wissenschaft.
Das Forum für diese gemeinsame Erörterung ist der Deutsche Privatinsolvenztag, der jährlich stattfindet.

Der Deutsche Privatinsolvenztag 2022 fand in einer Online-Version statt.

12. Deutscher Privatinsolvenztag am 9. September 2022

Reformbedarf der Reform: Das Privatinsolvenzrecht vor der Evaluierung

Podiumsteilnehmer waren

Prof. Dr. Martin Ahrens von der Universität Göttingen
RinBGH Praxedis Möhring vom Bundesgerichtshof
RiAG Dr. Peter Laroche vom Insolvenzgericht Köln
Insolvenzverwalterin Susanne Brenner
Schuldnerberater Mark Wichlajew der Stadt München
Philipp Ganzmüller vom BDIU

Über die Tagung berichteten Peter Reuter und Diplom-Rechtspflegerin Sylvia Wipperfürth, LL. M. (com.), SIIW SachverständigenInstitut für Insolvenz- und Wirtschaftsrecht, Alsdorf/Aachen im INDatReport 08_2022, S. 40:

Junge Reform auf dem Prüfstand der Praxis

München. Der 12. Deutsche Privatinsolvenztag (DPIT) fand am 09.09.2022 als Onlinetagung via Zoom statt, die konstant 80 bis 100 Teilnehmer an den Bildschirmen hielt. Moderiert von Prof. Dr. Martin Ahrens gab es durchgehend ein fünfköpfiges Podium, das bei reger Beteiligung des Publikums über den »Reformbedarf der Reform: Das Privatinsolvenzrecht vor der Evaluierung« und über erste Erfahrungen mit dem neuen Recht diskutierte. Aus aktuellem Anlass befasste sich der DPIT auch mit den Sonderzahlungen wie der EPP in Bezug auf Pfändbarkeit und Insolvenzbeschlag. Traditionell fasste der DPIT auch wieder Entschließungen, die in Richtung Politik adressiert sind.

Die Begrüßung zum Onlineformat verband der Vorsitzende des Deutschen Privatinsolvenztags e. V., RiAG Dr. Thorsten Graeber, mit der Aussicht, dass die kommende Ausgabe wieder präsent stattfinden kann, geplant ist sie für den 20.10.2023 im Alten Rathaus in München. Die letzte Präsenztagung fand am 20.09.2019 in Göttingen statt. Moderator und DPIT-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Martin Ahrens (Universität Göttingen) saß vor dem eingeblendeten Bild der Paulinerkirche, wo die Tagung in Präsenz, die immer abwechselnd in Göttingen und München stattfindet, in diesem Jahr abgehalten worden wäre. Zunächst stellte Ahrens das Podium vor, wobei RiinBGH Praxedis Möhring (neben dem IX. Senat dem VIa. Senat als stellvertretende Vorsitzende zugewiesen), Insolvenzverwalterin Dipl.-Rpfl. Susanne Brenner (sie zählt zu den meistbestellten Insolvenzverwaltern in Verbraucherinsolvenzen), RiAG Dr. Peter Laroche (Leiter der Insolvenz- und Restrukturierungsabteilung des AG Köln) und Schuldnerberater Dipl.-Jur. Univ. Marc Wichlajew (Sachgebietsleiter Schuldner- und Insolvenzberatung der Landeshauptstadt München) schon des Öfteren auf diesem beim DPIT saßen, während Philipp Ganzmüller (Creditreform München Ganzmüller, Groher & Kollegen KG und BDIU-Vorstandsmitglied) das erste Mal auf diesem Panel vertreten war.

Mit Blick auf die Restschuldbefreiungsreform, die zum 01.10.2020 weitestgehend und rückwirkend in Kraft getreten war, standen u. a. die Themen verkürzte Abtretungsfrist auf drei Jahre, Änderungen für Selbstständige in Bezug auf deren Obliegenheiten (§ 295 a InsO), die erweiterten Herausgabepflichten des Schuldners (§ 295 Satz 1 Nr. 2 InsO) und erste Erfahrungen mit den (z. T. neuen) Versagungsregelungen im Fokus des Vormittags, die mit Vorschlägen zu einem Änderungsbedarf und punktuellen Nachjustierungen verbunden waren. Ahrens rief das Publikum dazu auf, sich jederzeit mit einem virtuellen Handzeichen bemerkbar zu machen, was auch zahlreich geschah, sodass es auch im Onlineformat zu einer sehr lebendigen Diskussion kam.

Zum ersten Thema der verkürzten Abtretungsfrist bzw. zu den ersten Erfahrungen der knapp zwei Jahre jungen Reform berichtete Marc Wichlajew, dass man den bekannten Rückstau der Fälle anlässlich der sehr begrüßten und seit langer Zeit erwarteten Reform abgearbeitet habe und während der Corona-Pandemie im Zuge eines erhöhten Beratungsbedarfs habe feststellen können, dass die Hemmschwelle, Schuldner- und Insolvenzberatung in Anspruch zu nehmen, erfreulicherweise gesunken sei. Das Kreditverhalten (»Internet leerkaufen«) ist nach Ansicht von Susanne Brenner unverändert geblieben, es werde weiterhin Konsumenten zu einfach gemacht, Schulden aufzunehmen bzw. gefühlt unbegrenzt online einkaufen zu können, während sich Philipp Ganzmüller auf Nachfrage dagegen aussprach, bestimmte Kreise diskriminierend von der Kreditvergabe auszuschließen und sie als nicht mündige Schuldner zu betrachten. Zu der Verkürzung von sechs auf drei Jahre erklärte der BDIU-Vertreter, dass man mit dieser Änderung weiterhin nicht glücklich sei, da ihren Untersuchungen zufolge in den Jahren vier bis sechs der Restschuldbefreiungsphase zwei Drittel der Rückflüsse zu verzeichnen seien. Darüber hinaus gebe es einen gewissen »Frust« bei den Gläubigern, dass neben der Ablehnung der Fristverkürzung ihre Reformvorschläge wie der des Amtsermittlungsgrundsatzes, der später vertieft diskutiert wurde, nicht berücksichtigt worden seien. Aus dem Kölner Insolvenz gericht meldete Dr. Peter Laroche, dass die Forderungshöhen in Verbraucherinsolvenzverfahren zurückgegangen seien, so sah es auch sein Düsseldorfer Kollege und der Leiter der dortigen Insolvenzabteilung, RiAG Frank Pollmächer, der i. d. R. von Forderungen von bis zu 20.000 Euro sprach.

Weiter ging es in der Diskussion, die Ahrens immer mit dem Blick darauf, nicht vom jeweiligen Thema allzu stark abzuweichen, mit eigenen Wortbeiträgen verbunden leitete, mit dem außergerichtlichen Einigungsversuch, dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan und dem Insolvenzplan im Kontext der verkürzten Abtretungsdauer. Sowohl Peter Laroche als auch Frank Pollmächer unterstrichen die Bedeutung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplans mit der Zustimmungsersetzung als wertvollen Baustein, der unbedingt für die in ihren Verläufen absehbaren Fälle erhalten bleiben müsse, während das Aufkommen von Insolvenzplänen in Verbraucherinsolvenzverfahren – wohl wegen der verbesserten Planbarkeit aufgrund der verkürzten Verfahrensdauer – seit Inkrafttreten der Reform gegen null laufe (Pollmächer). Als praktischen Tipp für Pläne warf Brenner als Anreiz für Gläubiger ein, einen pfändbaren Betrag für drei Jahre fest einzukalkulieren – ungeachtet der dann gültigen Lohnpfändungstabelle gem. § 850 c ZPO. An die ausgenommenen Forderungen gem. § 302 InsO erinnerte Dipl.-Kfm. Frank Wiedenhaupt, Einrichtungsleiter Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle für Kleinstselbstständige beim Verein für die Berliner Stadtmission, die nach einer Lösung im Insolvenzplan verlangten, während er von Verwaltern immer wieder höre, dass sie sich mit wohl zu viel Arbeit verursachenden Insolvenzplänen bei dem einen oder anderen Gericht »unbeliebt« machen könnten. Im »teuren« München, ergänzte Wichlajew, sei man in der Insolvenzberatung zurückhaltend mit drittmittelfinanzierten Plänen, wenn dafür die Großmutter für den Enkel ihre Ersparnisse auflösen sollte. Den Vorschlag von Laroche, den gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan auch nat. Personen zu eröffnen, die keine Verbraucher sind, unterstrich Martin Ahrens als sehr wichtiges Plädoyer, denn die Abgrenzung von Verbraucher und Selbstständigem sei eher zufällig – auch Selbstständige sollten in den Genuss kommen, dass (häufiges) Schweigen der Gläubiger als Zustimmung zu werten ist. Daran schloss sich der Vorschlag an, dass Schuldnerberatungsstellen, die sich diese komplexere Materie zutrauten, auch bei Regelverfahren beraten dürfen sollten, wie es Frank Wiedenhaupt in Berlin für Selbstständige praktiziert.

Im Anschluss entbrannte eine eher akademische Diskussion zu § 295 a Abs. 2 InsO, wonach das Gericht auf Antrag des Schuldners bei selbstständiger Tätigkeit einen an einem angemessenen Dienstverhältnis ausgerichteten Einkommensbetrag (Gläubiger und Treuhänder sind vorher anzuhören) mit Beschluss festlegt, der in der Praxis nahezu keine Rolle spiele, was die Verwalterinnen Susanne Brenner (»die Schuldner wollen das nicht«) und RAin Nina Tschirpke (»keiner will das«) bestätigten – es habe in Köln laut Laroche und in München je einen Fall gegeben haben, Letzterer habe dann, so berichtete Wichlajew, zu einer irritierenden Anschlussfrage geführt, die wiederum die beabsichtigte Rechtssicherheit infrage gestellt habe. Die Diskussion drehte sich um die alternativ geübte Praxis, dass eine (haftungsrechtlich bedenkliche) Vereinbarung zwischen Verwalter und Schuldner getroffen wird, bei der Praxedis Möhring die Gläubigerbeteiligung vermisste. Auch machten sich Podium und Plenum darüber Gedanken, in welchen Fällen, wenn sich die Einkünfte des Schuldners deutlich veränderten (z. B. Erwerbsunfähigkeit), der gerichtlich festgesetzte Betrag nicht mehr gelten dürfe. Die Zurückhaltung bei der Regelung des § 295 a Abs. 2 InsO, so machte es die Diskussion deutlich, ist mit zu großen Unsicherheiten auf Schuldnerseite verbunden, ob dieser eingeschlagene Weg für sie sicher zur Restschuldbefreiung führt.

Zu den Versagungsregelungen gab es einen längeren Austausch über die Mitteilungspflichten gem. § 295 Satz 1 Nr. 2 InsO, vor allem zu den gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen und Bagatellgrenzen wie z. B. Pralinen und Blumen zum Geburtstag, die dazu führten, dass Schuldner Fotos mit ihren kleinen Geburtstagsgeschenken der Treuhänderin zumailten, um nicht mit einer Unachtsamkeit die Erteilung der Restschuldbefreiung zu riskieren, berichtete Susanne Brenner. Frank Wiedenhaupt erzählte von einer Schuldnerin, die den Gewinn eines Autos bei der Fernsehlotterie ordnungsgemäß mitgeteilt habe – sodass dessen Erlös zur Gläubigerbefriedigung eingesetzt werden konnte. In Berlin nicht unüblich, ergänzte er, würden auch kosmetische Operationen (»Oberweite«) im Wert von 4000 Euro oder großflächige Tattoos im Wert von 1000 Euro verschenkt – hier überlegte man in der Runde, wann denn der Vollzug des Schenkungsversprechens anzusetzen ist. Prothesen seien laut Rechtsprechung unpfändbar, warf Martin Ahrens in die Überlegungen ein.

Schließlich stand der u. a. vom BDIU geforderte Amtsermittlungsgrundsatz in Bezug auf die Redlichkeit des Schuldners zur Diskussion. Diesen ohnehin wegen der begrenzten gerichtlichen Kapazitäten nicht erfüllbaren Wunsch konnte Peter Laroche nicht nachvollziehen, da sich zum einen der ganz überwiegende Teil der Schuldner redlich verhalte und zum anderen doch alle Informationen in den für Gläubiger zugänglichen Verfahrensakten vorlägen, sie müssten nur abgerufen bzw. eingesehen werden. Zudem erinnerte er an das Gläubigerinformationssystem (GIS), das bei den Verwaltern sogar bei kleineren Verfahren immer mehr zum Einsatz komme. Auch Susanne Brenner berichtete wie Laroche davon, dass Gläubiger häufig gar kein Interesse an einer Beteiligung am Verfahren hätten – selbst wenn Versagungsgründe offensichtlich vorliegen, sie wie auf dem Silbertablett serviert präsentiert würden, fände sich kein Gläubiger, der den Versagungsantrag stellt. Des Weiteren wies Brenner auf den geänderten § 98 InsO (Durchsetzung der Pflichten des Schuldners) hin, der u. a. die unterstützende Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers ermöglicht (BGBl. 2022, Teil I, S. 1172). Noch vor der Mittagspause machte Laroche einen weiteren Vorschlag, der auf die Reform nach der Reform abzielt: Die von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen gem. § 302 InsO sollten viel früher als erst zum Ende der Phase in einem Feststellungsverfahren zur Sicherheit aller zu klären sein – auch dieser Vorschlag fand breite Zustimmung.

Den Nachmittag der Veranstaltung, der dann mit Entschließungen des Podiums und Plenums verbunden war, eröffnete Martin Ahrens mit der angekündigten Einladung zur Diskussion über das brandaktuelle Thema der Sonderzahlungen, die anlässlich der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs gezahlt werden. Beleuchtet wurden die Frage der Pfändbarkeit und der sich ggf. daraus ableitende Insolvenzbeschlag anhand der Energiepreispauschale (EPP), etabliert durch das Steuerentlastungsgesetz 2022 vom 23.05.2022 (§§ 112–122 EStG). Einhellig stellten die Diskutanten fest, dass es an einer gesetzlichen Regelung zur (Un-)Pfändbarkeit der Energiepreispauschale fehlt. Die Literatur umfasst hierzu derzeit (Stand Redaktionsschluss) drei Beiträge (Ahrens, NJW-Spezial 2022, 341; Grote, InsbürO 2022, 337; Wipperfürth, ZInsO 2022, 1665).

Übereinstimmung bestand darin, dass es sich bei der EPP nicht um Arbeitseinkommen handelt (BT-Drs. 20/1765 S. 24). Aus diesem Grund ist die EPP auch nicht von einer Lohnpfändung erfasst; daher verfangen §§ 850 ff. ZPO nicht. Folglich spreche vieles dafür, dass die Arbeitgeber diese Leistung auch als unpfändbar in die Lohnabrechnungsprogramme eingepflegt haben. Dessen ungeachtet sei aber der Insolvenzbeschlag (§§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO) umfassend zu verstehen und daher sei dieses Argument im eröffneten Insolvenzverfahren nicht als Rückschluss für eine generell bestehende Unpfändbarkeit und damit einen fehlenden Insolvenzbeschlag zu verwenden. Hinsichtlich der Art der Leistung bestand unter den Diskutierenden Uneinigkeit darüber, welche Art von Leistung dem Rechtsgrund nach vorliegt.

Überwiegend vertraten Podium und Plenum die Auffassung, dass man die EPP als eine »atypische Sozialleistung« einstufen könne, sodass man im Ergebnis zur Frage der Pfändbarkeit auf § 54 Abs. 2 SGB I zurückgreifen könnte. Danach können Ansprüche auf einmalige Geldleistungen nur gepfändet werden, soweit nach den Umständen des Falls, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht. Dies spreche dann für eine Einzelabwägung unter Anlegung von Billigkeitsmaßstäben. Martin Ahrens wies darauf hin, dass unter der Annahme einer »atypischen Sozialleistung« die Überlegung anzustellen sei, dass die EPP im Restschuldbefreiungsverfahren von der Abtretungserklärung des § 287 Abs. 2 InsO erfasst sein könnte. Als denkbar wurde auch angedacht, den Rückgriff auf § 851 ZPO zu wählen, wonach eine – hier dann anzunehmende – zweckgebundene Leistung nur für sog. Anlassgläubiger (demnach den Gläubiger der Energiekosten) pfändbar und im Übrigen unpfändbar wäre.

RiinBGH Praxedis Möhring stellte fest, dass man eventuell auch von einer Art Steuerleistung ausgehen könnte. Dies wiederum würde dazu führen, dass der Anspruch gem. § 46 Abs. 1 AO pfändbar wäre. Abschließend gelangte man überwiegend zu der Auffassung, dass es seitens des Gesetzgebers einer Klarstellung bedarf, da das Rechtsempfinden eine Pfändbarkeit kaum zuließe. Als Entschließung wurde daher mehrheitlich gefasst: »Für die Leistungen im Rahmen der Maßnahmen zur Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung und zur Stärkung der Einkommen fehlt eine verlässliche Grundlage für Pfändungsschutz. Bei einer Pfändung droht der Zweck der Leistungen verfehlt zu werden. Es ist ein angemessener Pfändungsschutz zu bestätigen.«

In das praxisrelevante und viel diskutierte Thema der »öffentlich-rechtlichen Verstrickung« und die daraus resultierenden Konsequenzen unter insolvenzrechtlichen Vorzeichen im Lichte der BGH-Rechtsprechung (BGH v. 21.9.2017 – IX ZR 40/17; BGH v. 19.11.2020 – IX ZR 210/19, BGH v. 02.12.2021 – IX ZB 10/21) führte im Anschluss Praxedis Möhring ein. Danach haben (Anm.: in sehr komprimierter Darstellung) der Insolvenzverwalter und der Schuldner im Restschuldbefreiungsverfahren für die Entstrickung zu sorgen, um für die Masse (Insolvenzverwalter) und für sich (Schuldner) die von einem Gläubiger gepfändeten Ansprüche zu realisieren. Sie sprach sich dafür aus, dass insbesondere § 88 InsO die Verstrickungswirkung nicht beseitigen, sondern »lediglich « zurücktreten lassen wolle. Es zeige sich aufgrund des damit verbundenen Arbeitsaufwands, insbesondere aufgrund der möglichen Vielzahl von Pfändungen (»Kontenpfändung«, »Einkommenspfändung «), ein praktisches Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung, wobei das Problem z. T. pragmatisch durch den Neuabschluss eines Zahlungsdienstrahmenvertrags durch den Schuldner nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens angegangen werde. Konsentiert waren die Aussetzung der Verstrickungswirkung während des Insolvenzverfahrens (Eröffnung bis Aufhebung/Einstellung) und die Aussetzung der Verstrickungswirkung im Restschuldbefreiungsverfahren (Suspendierungseffekt). Wird die Restschuldbefreiung erteilt, bestehe ein Bedürfnis, die Verstrickungswirkung für die Zukunft (Neuvermögen) aufzuheben. Hier wäre eine Gesetzesanpassung wünschenswert. Vor diesem Hintergrund wurde mehrheitlich folgende Entschließung etabliert: Geregelt werden sollen eine Aussetzung der Verstrickung wegen künftiger Geldforderungen im Insolvenz-/Restschuldbefreiungsverfahren sowie eine Aufhebung nach Erteilung der Restschuldbefreiungsverfahren. Dabei ist die Stellung der privilegierten Gläubiger zu berücksichtigen.

Als für den Schuldner folgenreich diskutierte der DPIT, dass Masseverbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung wohl nicht erfasst werden (streitig; so aber jedenfalls BFH v. 28.11.2017 – VII R 1/16: »Masseverbindlichkeiten werden von einer Restschuldbefreiung nicht erfasst. Steuerschulden, die als Masseverbindlichkeiten entstanden sind, können nach Abschluss des Insolvenzverfahrens mit Erstattungsansprüchen des ehemaligen Insolvenzschuldners verrechnet werden. Der Verrechnung stehen eine dem Insolvenzverfahren immanente sog. Haftungsbeschränkung bzw. eine Einrede der beschränkten Haftung des Insolvenzschuldners nicht entgegen.«). Hieraus können dem Schuldner im Fall der bestehenden Masseunzulänglichkeit trotz erteilter Restschuldbefreiung weitere, z. T. erhebliche Verbindlichkeiten erwachsen, die ggf. sogar in einem weiteren Insolvenzverfahren münden können. Die daraufhin mehrheitlich gefasste Entschließung besagt: Der DPIT spricht sich dafür aus, dass die Haftung des Schuldners nach Erteilung der Restschuldbefreiung für Masseverbindlichkeiten so ausgestaltet wird, dass der wirtschaftliche Neustart nicht infrage gestellt wird.

Als entscheidender Punkt wurde die Aufrechnung/Verrechnung nach erteilter Restschuldbefreiung thematisiert (siehe hierzu LSG Thüringen v. 08.06.2021 – L 12 R 331/18; LSG Nordrhein-Westfalen, 15.03.2018 – L 19 AS 1286/17; LSG München v. 21.03.2018 – L 13 R 25/17). Als problematisch könnte sich hier zudem, so Ahrens, eine Entscheidung des BGH zur zulässigen Aufrechnungsmöglichkeit nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans (BGH v. 19.05.2011 – IX ZR 222/08) herausstellen. Letztlich mündete der Austausch in einem Konsens, dass die Aufrechnungs-/Verrechnungsmöglichkeit jedenfalls die Wirkungen der Restschuldbefreiung nicht bekräftigt.

Mit dem Ausblick auf eine mögliche Präsenzveranstaltung im Jahr 2023 schloss Ahrens die diskussionsfreudige Veranstaltung mit den Worten des Dankes an die interessierten und engagierten Teilnehmenden.

Die davor letzte Präsenz-Tagung fand am 20. September 2019 in Göttingen statt: Impressionen vom DPIT 2019

Materialien über vergangene Tagungen sind im Archiv zu finden.